I. Jugendstil und Bauhausstil Stoffe -Almerlin und die Wiener Werkstätte

Almerlin Jugendstilstoffe nach Entwürfen der Wiener Werkstätte… was ist die Wiener Werkstätte?

Ich liebe den Jugendstil schon seit meiner Kindheit, zunächst die Architektur in ihren verschiedenen Facetten und eben alles das, was man im Alltag in „schön“ gestalten kann – Porzellan, Glas, Zinn, Schmuck, Bilder – ich war mehrfach in Wien und habe auch in anderen Städten immer nach Bauten im Jugendstil gesucht (Quedlinburg, Magdeburg, Chemnitz….). Ich war schon in verschiedenen Museen mit Ausstellungen zum Thema Jugendstil – im Bröhan Museum und im Kunstgewerbemuseum in Berlin, im Grassimuseum in Leipzig oder im Bayrischen Nationalmuseum München zu einer Sonderausstellung und auf zahllosen Antikmärkten auf der Jagd nach Jugendstil Originalen.
Mit Almerlin bin ich zunächst auf die Wandteppiche von Mucha, später Klimt und die englischen Jugendstilkünstler William Morris, Edward Burne-Jones und Edward Blair-Leighton getroffen und dann habe ich nach und nach auch Jugendstilstoffe entdeckt…die Designs der Wiener Werkstätte sind der bisher tollste Fund. Die Ideen, die hinter dem Schaffen der WW stecken und das, was durch sie erschaffen wurde und in gewisser Weise den Weg in die Moderne ebnete, ist so faszinierend, dass es einige Blogbeiträge füllen wird…aber es wird eine wunderbare Reise werden!

Monogramm und Warenzeichen (Rose) der Wiener Werkstätte
Monogramm und Warenzeichen (Rose) der Wiener Werkstätte

„Das grenzenlose Unheil, welches die schlechte Massenproduktion einerseits, die gedankenlose Nachahmung alter Stile andererseits auf kunstgewerblichem Gebiete verursacht haben, durchdringt als Riesenstrom die ganze Welt. Wir haben den Anschluss an die Kultur unserer Vorfahren verloren und werden von tausend Wünschen und Erwägungen hin und her geworfen. An Stelle der Hand ist meist die Maschine, an Stelle des Handwerkers der Geschäftsmann getreten. Diesem Strome entgegen zu schwimmen wäre Wahnsinn. Dennoch haben wir unsere Werkstätte gegründet, sie soll uns auf heimischem Boden, mitten im Lärm des frohen Handwerks einen Ruhepunkt schaffen und dem willkommen sein, der sich zu Ruskin und Morris bekennt. Wir appellieren an alle, denen eine Kultur in diesem Sinne wertvoll erscheint und hoffen, dass auch unvermeidliche Fehler unsere Freunde nicht beirren werden, unsere Absichten zu fördern.
Handytasche aus dem Hoffmann Entwurf "Zackenkrone" von 1905
Handytasche aus dem Hoffmann Entwurf „Zackenkrone“ von 1905
Wir wollen einen innigen Kontakt zwischen Publikum, Entwerfer und Handwerker herstellen und gutes einfaches Hausgerät schaffen. Wir gehen vom Zweck aus, die Gebrauchsfähigkeit ist unsere erste Bedingung, unsere Stärke soll in guten Verhältnissen und in guter Materialabehandlung bestehen…. Der Wert der künstlerischen Arbeit und die Idee sollen wieder erkannt und geschätzt werden. Es soll die Arbeit des Kunsthandwerkers mit demselben Mass gemessen werden, wie die des Malers und Bildhauers. Wir können und wollen nicht mit der Billigkeit wetteifern; dieselbe geht vor allem auf Kosten des Arbeiters, und diesem wieder eine Freude am Schaffen und eine menschenwürdige Existenz zu erringen, halten wir für unsere vornehmste Pflicht. Alles dieses ist nur schrittweise zu erreichen. Bei unseren Lederarbeiten und Bucheinbänden wird, ebenso wie bei allen anderen, auf ein gutes Material und technisch vollkommene Durchführung gesehen.
…Doch sollte jeder Kulturmensch sich dieser Materialfülle schämen, denn einesteils bringt die leichte Herstellbarkeit eine geringere Verantwortlichkeit mit sich, während andernteils die Fülle zur Oberflächlichkeit führt.
Deckblatt Arbeitsprogramm der WW 1905 Faksimile
Deckblatt Arbeitsprogramm der WW 1905 Faksimile
…Sollten wir vergessen haben,… dass der Umgang mit schönen Dingen uns selbst verschönt?…

Leider hat die heutige Zeit sich an … Schleuderwaren gewöhnt, so dass uns ein halbwegs sorgfältig gearbeitetes Möbel unerschwinglich erscheint. Leider…ist man heute geneigt, der Moderne Uneleganz und Ärmlichkeit vorzuwerfen, wo sie vielleicht die ungeahnteste Wirkung erreichen würde, wenn der nötige Auftrag da wäre. Die Surrogate der stilvollen Imitationen können nur dem Parvenü genügen. Der Bürger von heute, ebenso wie der Arbeiter, müssen den Stolz besitzen, ihres Wertes voll bewußt zu sein und dürfen nicht mit anderen Ständen wetteifern wollen…
Unser Bürgerstand hat seine künstlerische Aufgabe noch lange nicht erfüllt. An ihm ist jetzt die Reihe, der Entwicklung voll und ganz gerecht zu werden.“
(aus dem Faksimile des Arbeitsprogramms der WW 1905, gefunden im Buch „Der Preis der Schönheit – Zum 100. Geburtstag der Wiener Werkstätte“ herausgegeben vom MAK Wien)

Der Vorstand der Wiener Werkstätte bei ihrer Gründung 1903: Professor Josef Hoffmann, Professor Koloman Moser, Fritz Waerndorfer

Die Wiener Werkstätte – Anfänge, Gründung, Überblick bis 1920

1897Gründung der Secession in Wien - eine Vereinigung bildender Künstler in Österreich,
Das Secessionsgebäude baute übrigens Joseph Maria Olbrich
1898Gründung der Werkstätten für Kunst und Handwerk in München und Gründung der Dresdner Werkstätten für Handwerkskunst
》Ziel war die Produktion für den Mittelstand, um große Mengen und gute Preise erzielen zu können, sollte maschinell gestützt produziert werden
1899 Gründung der Künstlerkolonie in Darmstadt, Joseph Maria Olbrich baut dort in den nächsten Jahren die Wohnhäuser
und auch das Hauptgebäude "Ernst-Ludwig-Haus",
1899Josef Hoffmann wird mit 29 Jahren Professor der Fachklasse für Architektur, Koloman Moser wird Lehrer der Fachklasse für Malerei
an der k.k. Kunstgewerbeschule unter Leitung des Secessionsmitgliedes Felician Myrbach

C. R. Mackintosh The Wassail
C. R. Mackintosh The Wassail

1900Charles Rennie Mackintosh und seine Frau Margaret ("Sie ist ein Genie, ich habe nur Talent.") stellen in der Wiener Secession aus
- sowohl spätere Werke von Klimt, als auch von Hoffmann lassen ihren Einfluss erkennen.
Ihre dynamischsten Werke sind große Platten mit Gesso Untergrund als Wandschmuck, wie beispielsweise "Die Wassail".
1903Gründung der Wiener Werkstätte als Produktionsstätte für hochwertige Gebrauchsgüter:
Die künstlerischen Entwürfe werden von sorgfältig ausgesuchten Arbeitern unter guten Arbeitsbedingungen umgesetzt. Neben Koloman Moser und Josef Hoffmann wird Fritz Waerndorfer zum Mäzen der Wiener Werkstätte, zunächst werden ein Silberschmied und zwei Metallarbeiter beschäftigt
Moser, Hoffmann und Klimt arbeiten über viele Jahre eng zusammen - Hoffmann entwirft die Rahmen für Klimts Bilder, die Ausführung erfolgt durch die WW
1904Victor Zuckerkandl beauftragt die WW mit der Errichtung des Sanatoriums Purkersdorf.
Bereits 1904 werden erste Stoffe nach Entwürfen von Hoffmann im Auftrag der Wiener Werkstätte von der Weberei Backhausen für das Sanatorium Purkersdorf gewebt. Die WW besaß nie eine eigene Weberei, sie arbeitete immer mit ortsansässigen Firmen zusammen.
1906die Wiener Werkstätte stellt in Earls Court in London aus zusammen mit der Bugholzfirma Kohn und der Textilfirma J. Ginzey und richtet zusammen mit Kohn in Berlin ein Verkaufslokal ein.
1906Verkauf von Produkten in der Verkaufsstelle der Dresdner Werkstätten für Handwerkskunst
1907Eröffnung des Cabarets "Fledermaus" in Wien, entworfen und geführt von der Wiener Werkstätte
Die WW beginnt mit Künstler-Postkartenproduktion
1907Gründung des Deutschen Werkbunds in München - 12 Künstler und 12 Firmen, darunter auch Prof. Hoffmann und die WW, wollen zukünftig zusammen arbeiten
Ziel: Veredlung der Arbeit im Zusammenspiel von Kunst, Industrie und Handwerk
Peter Behrens begründet den Ruf des Industriedesigners
Fusion der Dresdner Werkstätten für Handwerkskunst und Münchner Werkstätten für Wohnungseinrichtung zu den Deutschen Werkstätten für Handwerkskunst GmbH Dresden und München
》Josef Hoffmann und Koloman Moser entwerfen Möbel und Ensembles dafür
1908Kunstschau der Klimt - Gruppe (ehemalige Secessionsmitglieder)
Carl Otto Czeschka geht als Professor nach Hamburg
nach dem Vorbild der WW wird in Prag Artêl gegründet
Meyr's Neffe & Loetz Witwe produzieren Glasentwürfe von Otto Prutscher für die WW
(Jugendstil Loetz Glas aus Böhmen ist heute ein begehrtes Sammlerobjekt)
1909offizieller Austritt Koloman Mosers aus der WW - ab 1907 stark eingeschränkte Tätigkeit
>> Abwendung von rein geometrischen Formen zu mehr floralen und dekorativen Elementen
1910Um 1910 war die WW nicht mehr die idealistische Künstlervereinigung ihrer Gründer.
1911die Wiener Werkstätte erhält die Berechtigung für das Modisten- und Kleidermachergewerbe
- Damenkleider und Hüte werden später einer der erfolgreichsten Wirtschaftszweige der WW
Jungnickel und von Zülow entwerfen Stoffe für die WW
Hoffmann lernt Dagobert Peche kennen
Das Palais Stoclet in Brüssel, entworfen von Hoffmann und gebaut über die WW, mit den berühmten Klimt Friesen im Speisezimmer, wird fertiggestellt - ein durch und durch designter Bau, auch in der Einrichtung alles perfekt aufeinander abgestimmt, mittlerweile UNESCO Weltkulturerbe und leider nicht zu besichtigen....
1911die Stoffentwürfe werden alle von der Firma Backhausen ausgeführt
1912Gründung des Österreichischen Werkbunds, Hoffmann wird Vizevorsitzender
Ziel: (Kunst) Handwerks - Produktion, der kunsthandwerklichen Produktion wird der Vorzug gegeüber der industriellen Massenproduktion gegeben
1912Otto Wagner wird neben anderen Mitglied des Ehrenbeirates der WW
1912Wiener Werkstätte Mode wird zum Hit in Berlin
1914Liquidierung und Neugründung der Wiener Werkstätten, jetzt soll mehr fabrikmäßig und damit profitabel produziert werden
Gustav Klimt wird Vorstandsmitglied
1914im Verlag Eduard Kosmack erscheint "Mode" mit 144 Modebildern aller WW Künstler, Herausgeber ist Josef Hoffmann
》dieses Buch kostet heute um die 140.000,00 €!
1915Dagobert Peche wird Mitglied der WW (er entwirft bereits seit 2011 Stoffe) - dadurch kommt es zu einem Stilwandel
1917Die WW gründet die Tochtergesellschaft WW AG in Zürich, Dagobert Peche wird künstlerischer Leiter
Die WW beteiligt sich an der Österreichischen Kunstausstellung in Stockholm: "Die WW kam, wurde gesehen und siegte. Die eigene Note, die >Stilrichtung Wien<, bildete das Entzücken der sonst so kühlen Nordländer.
1918Die WW ist auf Messen in mehreren Ländern vertreten und sucht intensiv nach neuen Geschäftsverbindungen.
Tod Klimts, Mosers, Wagners, Lendeckes - vier Ausnahmekünstler, die den österreichischen Jugendstil prägten
1919Walther Gropius, Lyonel Feininger, Johannes Itten und Gerhard Marcks gründen das staatliche Bauhaus in Weimar. Es entstehen Gegenstände, die zweckmäßig, geometrisch und schmucklos sind und damit ganz dem Hoffmannschen Ansatz der ersten WW Jahre folgen.
Dagobert Peche kehrt nach Wien zurück und Otto Primavesi versucht die WW zu reformieren.
1920Paul Klee wird ans Bauhaus berufen.
Peche sieht das Hauptproblem der WW darin, daß sie zu sehr auf dem Mäzenatentum aufgebaut ist und zu wenig nach wirtschaftlichen Kriterien gearbeitet wird.
Hoffmann spaltet den Werkbund Wien vom Österreichischen Werkbund ab.
Für 1920/1921 gibt die WW an: "Außer den Wiener Geschäften unterhält die WW eigene Niederlagen in Karlsbad, Marienbad und Zürich und Vertretungen in Berlin, Amsterdam, Kopenhagen und Stockholm. Die Zahl der ständigen tätigen künstlerischen Mitarbeiter beträgt über 20, die der kaufmännisch Angestellten gegen 200 und die der Arbeiter rund 600."

Im nächsten Beitrag geht es um die Ziele und Ideale der Wiener Werkstätte!

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