7. Dagobert Peche – ornamentales Genie und „der Mann fürs Verspielte“ in der Wiener Werkstätte

Otto Wagner propagierte bereits Ende des 19. Jahrhunderts den sogenannten „Nutzstil“: „Der Architekt hat immer aus der Konstruktion die Kunstform zu entwickeln“.
Josef Hoffmann: künstlerische Wurzeln in der Architektur – geometrisch, klein…bis 1916
Dagobert Peche ist das Gegenteil, sozusagen der Gegenpol: künstlerische Wurzeln in Malerei und Grafik – ornamental, verziert…opulente Nachkriegskunden
Josef Hoffmann über Dagobert Peche 1923 kurz nach seinem Tod: „Nicht einmal alle hundert Jahre, alle dreihundert Jahre einmal vielleicht nur wird in einem Land ein solches Genie geboren. Dagobert Peche war das größte Ornamentgenie, das Österreich seit der Barocke besessen hat….Ganz Deutschland ist durch Peche-Muster zu einer neuen Stilepoche gelangt….in Frankreich, in England in den großen Kaufläden der Industrie…: diese Teppiche, Kretonne, Tapeten, alles an ihnen ist Ornament von Peches Gnaden, ist Farbe von Peches Palette.“

Max Eisler über den Ausstellungsbereich 1915/16 im Österreichischen Musum für Kunst und Industrie, den Peche gestaltet hatte: „….aus dem Herrschaftsbereich der Architektur in das der Dekoration. Nach dem schwarzweißen geometrischen Ernst öffnet sich hier ein farbiges sonniges Feld von frauenhafter Anmut, ornamental übersponnen und rhythmisch beflügelt.“

Dagobert Peche (1887 – 1923)
„Kunst ist das Bestreben, die unsichtbaren Rhythmen, welche uns umgeben, zu ahnen, ihr Gesetz zu finden, das Chaos zu klären“. (1915)
Für ihn sind Konstruktion (Architekt) und künstlerisches Empfinden (Kunsthandwerk) zwei verschiedene Denkweisen und Schaffensformen – der Architekt ist für das funktionale Gerüst, der Künstler für die ästhetisch-künstlerische Ausformung zuständig.
Für Peche war der ideale Ort der: „…wo man vom Paradies träumen könnte, ohne die Welt zu vergessen.“

Was inspirierte Peche zu seinen Entwürfen?
Das barocke Salzburg prägte ihn in seiner Jugend sehr, er besuchte dort von 1898 bis 1906 das Gymnasium.
1910 machte er über den Architekturverein eine Englandreise, die ihm viele Impulse (Beardsley, Mackintosh) gab. Außerdem besuchte er 1912 Paris, wo ihn die gotischen und barocken Ausstellungsstücke im Louvre inspirierten. Viele seiner späten Arbeiten mit ihrem feinen Rankenwerk, ihren zierlichen Fantasieblumen, ihren Blattgirlanden zeigen aber auch deutlich die Inspiration durch die italienische Renaissance.

Der berufliche Werdegang
Dagobert Peche wollte eigentlich wie sein Bruder Malerei studieren, aber da seine Eltern kein weiteres Studium dieser Fachrichtung finanziell unterstützen wollten, studierte er ab 1906 Architektur an der TU Wien und immatrikulierte daneben 1908 in der Akademie der Bildenden Künste in Wien. 1909 schloß er das Architekturstudium ab, arbeitete aber nie richtig in diesem Beruf. 1911 schloß er das Studium der bildenden Künste ab, in dessen Zeugnis ihm eine „außerordentliche zeichnerische und formale Begabung“ bescheinigt wurde.

1911 lernte Dagobert Peche Josef Hoffmann auf einem Bankett der Wiener Architekten anlässlich des 70. Geburtstages von Otto Wagner kennen. Von da an war Peche bis 1915 immer wieder für die Wiener Werkstätte als Designer tätig und entwarf in erster Linie Stoffmuster.

Schon diese frühen Entwürfe zeigen seine Vorliebe für fantasievolle und verspielte florale Formen. Er schuf flächendeckende Designs, von denen mir vor allem der „Schwalbenschwanz“ im Gedächtnis geblieben ist.
Er füllte die naturalistischen Formen mit fantasievollen Mustern, Ornamenten, teilweise Schraffuren.
Seine Farben waren schwarz und weiß (inspiriert von Aubrey Beardsley) und gold.
Wer weiß, ob diese Liebe zu Stoffdesigns nicht schon in der Kindheit gelegt wurde, da Ernst Backhausen, ein Familienmitglied der Weberei Johann Backhausen & Söhne, die übrigens bis 1911 auch Stoffe für die WW webte, ein Schulfreund von ihm war….

von 1911-1914 entwarf Peche 9 Stoffmuster für die Weberei Backhausen, mit Ernst Backhausen hatte er in Salzburg zusammen die Schule besucht und bei einem Besuch bei diesem 1910 seine Frau Petronella Daberkow kennengelernt. Insgesamt entwirft er von 1911 bis 1923 mehr als 110 Stoffmuster.

ab 1913 entwarf Peche zahlreiche Gläser und Glasdekore
1914 stammen die Tapetenmuster der Wiener Werkstätte hauptsächlich von ihm
Es gibt von ihm auch andere Designs gerade aus der Zeit des 1. Weltkrieges mit gezackten, nicht floralen, aggressiv wirkenden Mustern und zugespitzten „scharfen“ Blättern. Künstler verarbeiten Themen ihrer Zeit in ihrer Kunst und für Peche war der Krieg sicher etwas Zerstörendes und Schreckliches (er hatte von 1916 bis 1917 Militärdienst) . Seine Empfindungen übertrug er auf seine Designs wie viele andere Künstler auch.

1915 wurde Dagobert Peche zum künstlerischen Leiter der Wiener Werkstätte ernannt.

Von 1917-1919 war Peche Leiter der WW AG in Zürich, die im Krieg wegen der Neutralität der Schweiz gegründet wurde.

1920 kündigt Peche zunächst, er sieht das Hauptproblem der WW darin, daß sie zu stark auf Mäzenatentum, d.h. auf einem solventen Gönner (Industrieller, Bankier), aufbaut und viel zu wenig nach wirtschaftlichen Kriterien arbeitet. Aber letztlich bleibt er künstlerischer Leiter der WW bis zu seinem Tod am 16. April 1923.
In der Wiener Werkstätte gibt es zwei gegensätzliche Auffassungen: Peche und Mäzen Otto Primavesi unterstützen Philipp Häusler, der (weiter) rationalisieren und das künstlerische Programm den wirtschaftlichen Erfordernissen (Herstellungskosten, Absatzmöglichkeiten) anpassen will. Für Josef Hoffmann und Mäda Primavesi steht der künstlerische Aspekt an erster Stelle und ist den Erfordernissen des Marktes (Verkaufbarkeit, Preis) nicht unterzuordnen.
Letztlich soll diese Einstellung 1932 zur Liquidation der WW führen. Das ewige Thema Kunst und Commerz…

Von 1920-1922 verfasst er ein Manuskript über seine eigenen Kunstauffassungen, das er „Der brennende Dornbusch“ nennen will.

Ab 1921 arbeitet Peche allein an einer Tapetenkollektion, die von Flammersheim & Steinmann produziert wird. Damit begründet er die für die WW sehr lukrative Tapetenerzeugung.

1922 erkrankt Dagobert Peche an Tuberkulose.

Besonders in Erinnerung geblieben sind mir seine Stofftiere – keine Plüschtiere, sondern fantasievolle kleine Kunstwerke, die einem Feen- oder Elfenmärchen entsprungen sein könnten. Ich würde solche Entwürfe nie bei einem erwachsenen Mann vermuten 🙂 .

Ich finde sie wirklich außergewöhnlich und sie zeigen Peches große Fantasie und Kreativität. Er scheint sich neben dem „normalen“ Alltagsleben noch eine Art Parallelwelt voller Farben, Blumen und Formen erschaffen zu haben, eine Welt voller Zauber, Harmonie und Schönheit.

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