Mittelalterstoffe und Renaissancestoffe mit Granatapfelmuster

Der Granatapfel – ein beliebtes Motiv für Mittelalterstoffe, Renaissancestoffe, Barockstoffe. Warum Granatapfelstoffe?

Granatapfel und Blüte
Granatapfelfrucht aufgeschnitten

Der Granatapfel oder Grenadine (Punica granatum) hat seine ursprüngliche Heimat in West- und Mittelasien (Persien), wird aber auch schon seit vielen Jahrhunderten im Mittelmeerraum (zum Beispiel Spanien) kultiviert. Die Bezeichnung leitet sich von lat. granatus=körnig, kernreich ab, die botanische Bezeichnung „Punica“ bekam der Granatapfel im Römischen Reich. Durch die Phönizier und Römer kam er in den Mittelmeerraum – wegen seiner harten Schale und der damit verbundenen Haltbarkeit war er gut für Seefahrten geeignet. Übrigens nahmen ihn die Spanier aus diesem Grund auch mit auf ihre Entdeckungsreisen über den Ozean und brachten ihn so nach Amerika.

Hugo van der Goes SündenfallEr war im Mittelalter ein wichtiges christliches und auch ein profanes Symbol. Mit ihm soll nach der christlichen Tradition Eva Adam im Garten Eden verführt haben, was zum Verlassen. Ein Stück davon soll Adam im wahrsten Sinn des Wortes im Hals stecken geblieben sein („Adamsapfel“).
Durch den Handel mit Asien über die Seidenstrasse und durch die Kreuzzüge, die die Kultur des östlichen Mittelmeers im Mittelalter nach Europa brachten, kam das Granatapfelmotiv auch in den deutschsprachigen Raum.
D3200 Mittelalterstoff Granatapfel 15. Jahrhundert Damaststoff
Vor allem als Stoffmuster auf den prächtigen Seidenstoffen, die im kirchlichen Gebrauch zu festlichen liturgischen Gewändern oder Prozessionsbaldachinen verarbeitet wurden, war der Granatapfel als Sinnbild für den Sündenfall und die Sündhaftigkeit des Weibes sehr beliebt.
Die Kirche lehrte, dass Eva, die Mutter aller Frauen, nicht wie Adam aus dem Stoff des Universums erschaffen worden war, sondern nur quasi nachträglich aus seiner (überflüssigen) Rippe. Schwach und sozusagen nur unter (männlicher) Aufsicht zu einem gottgefälligen Leben fähig, so wollte die Kirche die Frau dargestellt sehen.
Die Töchter gehörten de Facto bis zur meist arrangierten Ehe ihren Eltern und waren danach Besitz des Ehemannes, den sie vor allem in adligen Kreisen oftmals am Hochzeitstag das erste Mal sahen. Folgsam, genügsam und gefügig sollten sie nach dem Willen des Klerus bescheiden mit sittsam gesenkten Kopf hinter ihrem Mann durchs Leben gehn…
Der Apfel in der Kirche mahnte – die Frau, wie schwach und leicht verführbar das Weib doch sei und das sie die alleinige Schuld am Rauswurf aus dem Garten Eden trug – den Mann, welch gemeine Versuchung und Verführung, den rechten Weg zu verlassen, die Frau darstelle, nur deshalb wecke sie mit allen unfairen körperlichen Reizen die Fleischeslust, um auf nicht gottgefälligen Pfaden zu gehen…also am besten vorn vornherein unterdrücken ganz im Sinne von :“Wehret den Anfängen!“
Messgewand mit Granatapfel Bayr. NaMu
Im Grunde wollte die Kirche eine Trennung der Frau in den Teil Eva – verführerisch, sexy, und Maria – sittsam gekleidet, ihrem Ehemann folgend, ganz Mutter und (folgsames) Eheweib und heilige Mutter Gottes. Tja, wir Frauen sind nun aber mal beides und es stellt sich überhaupt die Frage, warum der so perfekte und in allem überlegene (männliche) Adam, der doch mit seinem sooo überlegenen Verstand genau wußte, was passiert, wenn er gegen Gottes Gebot verstößt, dennoch von Eva den Apfel annahm… Kann es sein, dass er garnicht auf Gott hören wollte?

Granatapfelstoffe finden sich auf spätmittelalterlichen Tafelgemälden ganz häufig als Thron – und Baldachinbespannung hinter der Mutter Gottes – als sollte damit zum Ausdruck gebracht werden, dass Maria durch das Gebären Jesu Christi uns Menschen die Möglichkeit gegeben hätte, doch ins Paradies zu gelangen.
Maria und die Heiligen drei Könige um 1505 mit Granatapfelstoff
Eine Frau hat den christlichen Menschen aus dem Garten Eden vertrieben, eine Frau gibt dem christlichen Menschen das Mittel, wieder dorthin zurück zu kehren…das ist jetzt meine Interpretation. Die Kirche wollte damit vermutlich eher die Sündhaftigkeit des Weibes nicht in Vergessenheit geraten lassen, auf das wir Nachfolgerinnen Evas ein immerwährendes schlechtes Gewissen behalten…oder der Granatapfel als Fruchtbarkeitssymbol sollte für das: „Seid fruchtbar und mehret euch“ stehen. Tja, für uns ist die mittelalterliche Bildsprache nicht einfach zu verstehen – war das für den mittelalterlichen (Durchschnitts-) Menschen einfach und eindeutig?
Auf jeden Fall hat die wichtige symbolische Bedeutung des Granatapfels in der christlichen Symbolik zur Entstehung wunderschöner Stoffmuster geführt, teilweise stark stilisiert und mit anderen Motiven kombiniert, sowohl Apfel als auch Blüte wurden in Motive ungesetzt.
Er beherrschte die europäische Weberei für nahezu drei Jahrhunderte und wurde als Ornament auch in vielen anderen Künsten verwendet, zum Beispiel in der Schnitzerei.

Ein Granatapfel ist auch ein Symbol für Fruchtbarkeit, ewige Jugend, Schönheit und Liebe. Er ist die Frucht der Aphrodite. Ihre römische Schwester Venus selbst soll den Baum einst gepflanzt haben.
Granatapfel BotticelliBotticelli, der große Maler, hat den Granatapfel in seinem berühmten Gemälde „Madonna mit dem Granatapfel“ verewigt.

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