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Weiterführende Infos zu „Die Dame und das Einhorn“
Darstellungen der Dame mit dem Einhorn finden sich überall in der mittelalterlichen Kunst und im Kunsthandwerk: auf elfenbeinernen Minnekästchen oder Spiegelkapseln, in zahlreichen illuminierten Handschriften, auf kleinen niederländischen Kupferstichen und auf den großen französischen, aber auch auf deutschen Tapisserien. Eine der großen erhaltenen Teppichserien, genannt „Die Jagd auf das Einhorn“ befindet sich heute im Metropolitan Museum in New York, The Cloisters, die andere, genannt „Die Dame und das Einhorn“, befindet sich im Cluny Museum in Paris. Beide entstanden Ende des 15.Jahrhunderts, beide sind noch durch und durch gotisch. In der Gotik waren Tapisserien auch und vor allem „Bildteppiche“ voller Allegorien, Metaphern, Symbole und visueller Hinweise für die noch größtenteils analphabetischen Betrachter. Es ist für uns heute jedoch sehr schwer, das Dargestellte richtig zu deuten, da vieles mehrere Bedeutungen haben kann. Die Dame und das Einhorn – das kann die Frau und ihren gezähmten Liebhaber, aber auch die Jungfrau Maria und Christus darstellen (siehe unter „Einhorn“).
Auch für die Teppichserie gibt es mehrere Deutungen.
Sicher weiß man nur eines: sie wurden für Jean Le Viste, den Präsidenten des französischen Kirchenrates gewebt, denn auf allen ist sein Wappen – auf Rot steht ein schräger blauer Balken, darauf drei silberne Halbmonde – zu sehen. Vermutlich waren es mehr als sechs Teppiche, Aufzeichnungen von 1847 berichten von acht, aus dem späten 16.Jahrhundert von sieben. Seit 1882 befinden sie sich im Besitz der französischen Nation.
Momentan ist die herrschende Auffassung, dass fünf Teppiche die fünf Sinne darstellen – den Gesichtssinn (312 x 330 cm), das Gehör (368 x 290 cm), den Geschmack (375 x 460 cm), das Gefühl (369 x 358 cm) und den Geruch (368 x 322 cm). Der sechste mit dem Schriftzug „A Mon Seul Desir“ („An mein einziges Verlangen“, 376 x 473 cm)) vielleicht die Entsagung von den Leidenschaften symbolisiert, die die vorangegangenen oder folgenden Sinne hervorgerufen hatten.
Wie kam es zu dieser Interpretation?
Betrachtet man die Dame genauer, so spielt sie einmal eine Art Orgel (das Gehör), dann bindet sie einen Blumenkranz (der Geruch), nimmt eine Art Konfekt aus einer Schale (der Geschmack), hält das Horn des Einhorns (das Gefühl) und dann wiederum lässt sie es sein Gesicht in einem Spiegel betrachten (der Gesichtssinn). Auf dem Teppich mit dem Zelt legt sie ein wertvolles Geschmeide in ein Kästchen zurück (sie entsagt ihrem Verlangen).
Das Einhorn ist auf vier von sechs Teppichen lediglich Wappenträger zusammen mit einem Löwen und spielt keine so zentrale Rolle, wie der Name der Teppichserie vermuten lässt. Im „Gefühl“ berührt die Dame sein Horn, nur im „Gesichtssinn“ spielt es eine wichtige Rolle. Es liegt mit seinen Vorderhufen auf dem Schoß der (Jung)Frau und erblickt sein Gesicht in einem Spiegel. Es könnte hier auch die geheime Leidenschaft der Dame oder ihren Liebhaber symbolisieren, der reflektierende Spiegel in ihrer Hand würde eine Erwiderung dieser Liebe bedeuten.
Alle sechs dargestellten Damen sind verschieden. Die auf vier Teppichen dargestellten Dienerinnen sollen wahrscheinlich in erster Linie ihren aristokratischen Stand betonen (deshalb sind sie, wie in der mittelalterlichen Kunst üblich, immer kleiner als die Hauptperson dargestellt).
Allen Teppichen gemeinsam ist der rote Hintergrund, flächig bedeckt mit Zweigen, Laubwerk und verschiedenen Tieren, darunter Vögel, Kaninchen, Lämmer, Füchse, Katzen, Wiesel, Ziegen und Hunde. Die zentralen Figuren befinden sich stets auf einer vorwiegend blauen „Mille Fleurs“ Insel (siehe unter „Mille Fleurs“), aus der als optische Einrahmung mindestens zwei mitunter eher strauchartige Bäume wachsen. Es handelt sich um verschiedene Baumarten, die in der mittelalterlichen Symbolik unterschiedliche Tugenden symbolisieren – beispielsweise die Eiche Standhaftigkeit. Auf ihr befinden sich auch mehrere Tiere; interessant ist ein Affe auf drei Teppichen, der an einer Blume riecht (der Geruch) und eine kandierte Frucht probiert (der Geschmack) und ein weißer Schoßhund auf einem kostbaren Kissen (Desir).
Auf jeden Fall handelt es sich hier um prachtvolle Beispiele spätmittelalterlicher Weberkunst, wie sie zu deuten sind und ob sie überhaupt eine tiefere Bedeutung haben müssen, bleibt jedem Betrachter selbst überlassen… Bei einem Aufenthalt in Paris empfiehlt sich in jedem Fall ein Besuch des Cluny Museums, das viele Tapisserien beherbergt.