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Mittelalterstoff Wollbrokat Medaillon mit Greifen – meine erste Replik
Die Greifenpaare im Medaillon MA0700 sind das erste Stoffmuster, dass ich als Replik eines mittelalterlichen Stoffes erkannt habe und deshalb liegen sie mir ganz besonders am Herzen. Gefunden habe ich diesen mittelalterlichen Brokatstoff 2002 auf einer Fachmesse.
Es war ein ganz kleiner Stand – nur ein Pult mit mehreren Musterbüchern – aber im Hintergrund war dieser Stoff bestimmt vier Meter hoch dekoriert. Er fiel mir sofort ins Auge und ich kam mit den Beiden am Pult ins Gespräch. Sie hatten die Weberei quasi bankrott übernommen und versuchten sie wieder mit Leben zu füllen. In den Musterbüchern entdeckte ich noch andere mir bekannte Muster und so entstand ein Kontakt, der bis heute fortdauert.
Wie sich später herausstellte, konnte ich den Medaillonstoff (wie die anderen Stoffe auch) nicht nur in der auf der Messe gezeigten Hintergrundfarbe rostbraun Samt mit blauen Akzenten (Figurschuss) bekommen, sondern auch in vielen anderen Farben und in Wolle. Letzteres war natürlich im Hinblick auf die Verwendung für historische Darstellung (Reenactment) interessant, da es das Samtgarn Chenille („Raupenzwirn“) erst seit dem 17. Jahrhundert gibt.
Wieder zu Hause recherchierte ich in meinen alten Büchern…und tatsächlich fand ich haargenau dieses Muster in Otto von Falkes „Geschichte der Seidenweberei“ allerdings nur als Schwarzweiß Abbildung.
Ich bestellte den Stoff zunächst in rostbraun und schwarz mit grünem oder weinrotem Figurschuss und einige Jahre später besorgte die Weberei extra für mich ein weinrotes Wollgarn und ich nahm sowohl das „Medaillon mit Greifen“ als auch MA0800 „Basilisk“ in dieser Farbe mit bronzenem Figurschuss als Lagerware ins Programm auf. Bis heute meine Lieblingsfarbe.
Aus der Variante schwarze Wolle mit grünem Figurschuss fertigte ich für meine historische Darstellung einer Hansekauffrau des 14./15. Jahrhunderts ein sogenanntes Höllenfensterkleid an. Der Stoff ließ sich hervorragend dafür verarbeiten!
Tja, und dieses Jahr erfüllte sich ein lange gehegter Wunsch: ich bekam endlich das zugehörige Tafelwerk – die Stoffmustersammlung – zu Otto von Falkes „Geschichte der Seidenweberei“ in die Finger und sah den historischen Stoff in Farbe. Er ist viel bunter, als ich ihn mir vorgestellt habe!
Soviel zu meiner Geschichte mit dem Mittelalterstoff Wollbrokat Medaillon mit Greifen um 1095 Replik, jetzt kommt noch Wissenswertes zu Originalstoff und Muster:
Das Original findet sich als Abb.248 /Tafel 76 in Otto von Falkes Werk als Bestandteil des Kunstgewerbemuseums Berlin. Es handelt sich um einen leichten Seidenstoff in Köperbindung. Die Kette ist rot. Das Muster ist in Erfindung und Zeichnung sassanidisch, aber hier handelt es sich um eine spätere Nachbildung unter arabischem Einfluss. Es stammt aus Byzanz und entstand Ende des 11.Jahrhunderts. In den steigenden Greifenpaaren kündigen sich schon die leichter bewegten Tiermuster des 12.Jh. an, das Rankenwerk ähnelt schon einer Arabeske. Zwischen den Greifen befindet sich der heilige Baum. Islamische Herkunft wird durch die deutlich erkennbaren Kreuze in den Zwickeln ausgeschlossen. Für die Wellenranke in den Kreisbändern gibt es eine Analogie in der Chrysostomushandschrift des Kaisers Nikephoros Botaniates (1078-1081), was die zeitliche Einordnung so genau ermöglicht. Die Kreise sind durch Rosetten verbunden.
Leider kann ich nicht sagen, ob das Original heute noch existiert oder im 2.WK verschollen ist.
Die Replik wird in einem aufwändigen Webverfahren mit mehreren Kett- und Schußfadensystemen hergestellt. Neben der Grundkette gibt es eine Bindekette und neben dem farbigen Grundschuss gibt es einen ebenfalls farbigen Figurschuss. Außerdem wird hier das Motiv durch Metallfäden betont. Gewebe in Lampasbindungen waren im Mittelalter aufgrund des hohen Zeitaufwandes sehr kostbar und teuer, selbst heute an einem mechanischen Webstuhl mit Lochkarte beträgt die Webkapazität nur etwa einen Meter pro Stunde!
Medaillonstoffe
Altpersisches Motiv, diese strenge Aufteilung in Medaillons mit paarigen Tieren, getrennt durch den Lebensbaum hielt sich in der Weberei bis zum Ende des 13. Jahrhunderts, dann erst fand ein allmählicher Übergang zum Spitzoval statt. Sie wurde von der byzantinischen, sizilianischen und später spanischen Seidenweberei übernommen.
Inv.Nr.87,747/18 (7.-8.Jhd.Ägypten oder Syrien); Inv.Nr.84/281/64 (12.Jhd.,Spanien – Aufteilung Medaillons / Kreise / 8Eck-Stern im Zwickel entspricht unserem Stoff)), Inv.Nr.84,299/84 (13.Jhd,Spanien – Medaillonrahmen wie unserer) Inv.Nr.82,1172(2.Hälfte 11.Jhd.,Byzanz – mit Ranken gefüllter Medaillonrahmen)
Greif (gryphus)
Stammt aus der Antike, Ursprung wahrscheinlich Türkei, Armenien, Syrien, Irak- Mischwesen aus Adler und Löwe mit Adlerschnabel, Hundeohren, Vorderläufen mit Krallen, Hinterläufen mit Pranken, Flügeln und Löwenkörper (ursprünglich Stierkörper). Der Sage nach bestraften sie Menschen für übergroße Gier nach Reichtum – sie stießen aus dem Himmel herab und zerrissen sie. Beliebtes altpersisches Motiv, bei den Sassaniden (260 – 650) Symbol königlicher Macht – dieses Motiv wurde nicht von der byzantinischen Weberei übernommen, es stammt im europäischen Raum aus dem islamisch beherrschten Sizilien (islam. Herrschaft ab 650 in Persien, ab ca. 700 auf Sizilien)
Inv.Nr.84,279/38 (um 1100, Irak)
Das Sassanidenreich war das zweite persische Großreich des Altertums. Es existierte zwischen dem Ende des Partherreichs und der arabischen Eroberung Persiens, also von 224 bis zur Schlacht von Nehawend im Jahr 642 beziehungsweise bis zum Tod des letzten Großkönigs Yazdegerd III. im Jahr 651.