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5. Restaurierung eines Josef Hoffmann Cabinet Sessels
Restaurierung und Neubezug eines originalen Bauhausstil „Cabinet“ Sessels, entworfen von Professor Hoffmann
Die „Cabinet“ Sitzmöbel wurden von Josef Hoffmann ursprünglich für die Wohnung Dr. Salzer in Wien entworfen.
Sie sind ganz und gar kubisch aus der Form eines Würfels heraus designed und haben keinerlei geschwungene Formen. Obwohl 1903 entstanden, sind sie ganz und gar das, was man heute unter „Bauhaus-Stil“ versteht: klare, rein funktionale Formensprache, in industrieller Fertigung maschinell umsetzbar, weil keinerlei „überflüssige“ Schnörkel.
Letzteres entsprach natürlich nicht dem Ansinnen Professor Hoffmanns, der großen Wert auf handwerklich hochwertige Fertigung legte.
Für ihn ging es nicht um Massenproduktion, sondern um die Einheit von Kunst und Handwerk indem ein Künstler oder Designer den Entwurf gestaltete (nicht Nachbau oder Neuinterpretation von bereits vorhandenen Formen vergangener Epochen) und Handwerker ihn anfertigten (allenfalls in Kleinserien). Er wollte neue, zeitgemäße Formen schaffen – und war doch wie auch mit den „Cabinet“ Sitzmöbeln seiner Zeit weit voraus. Erst Jahrzehnte später wurde diese Formensprache zu DEM modernen Lifestyle und Wohndesign. Der Kubismus als Stilrichtung in der Malerei entstand ab 1907 in Frankreich.
Ein Kunde hat einen solchen Sessel in den 80er Jahren auf einer Auktion des Dorotheums erworben, (leider!) nicht fachgemäß mit neuem Stoff beziehen lassen….und dann fristete der Sessel viele Jahre ein Schattendasein.
Anfang des Jahres fasste er den Entschluß, den Sessel aufarbeiten und neu beziehen zu lassen….und fand bei Almerlin die passenden Stoffe. Der richtige Stoff war aus verschiedenen Mustern schnell gewählt – ein Entwurf von Josef Hoffmann „Windrad“, aber die Suche nach einen Polsterer und Restaurator im Frankfurter Raum gestaltete sich schwierig, zumal auch das Holzgestell dringend aufgearbeitet werden musste.
So kam es, dass der Sessel im April den Weg in meine Werkstatt fand, nachdem ich mit Herrn Fark in Bissendorf einen kompetenten, erfahrenen Restaurator des Tischlerhandwerks gefunden hatte.
Der Zustand….erschreckend! Der verwendete Stoff…scheußlich. Die Art und Weise, wie er lieblos einfach aufgetackert worden war…grauenvoll. Die Fotos zeigen das deutlich.
Herr Fark restaurierte das Gestell innerhalb weniger Wochen, indem er abgestoßene Ecken und Kanten vorsichtig beschliff, es beizte und mit einem matten Schellack versiegelte, und gab ihm so seinen ursprünglichen Farbton wieder, der vorher stark ausgeblichen war.
Unter dem scheußlichen grünen Stoff kam der Originalstoff zum Vorschein, ein kleines geometrisches Design auf goldbeigem Grund.
Wieder in meiner Werkstatt, musste ich zunächst die Reste des alten Stoffes und vor allem die unzähligen Klammern entfernen….eine mehrstündige, anstrengende Arbeit, da der grüne Velours mit unzähligen viel zu dicken 8mm langen Krampen quasi mit dem Holz verbunden worden war. Mein „Vorgänger“ hatte sich nicht die Mühe gemacht, den alten Stoff zu entfernen, sondern den neuen Stoff mit besonders dicken, großen Klammern einfach darüber getackert. So mussten zwei Schichten Klammern entfernt werden. Für einen qualitativ einwandfreien Bezug ist es notwendig, möglichst alle alten Klammern und alle Stoffreste zu entfernen, damit später keine unschönen Verdickungen oder Beulen unter dem neuen Bezug entstehen. Der alte Bezug war oben ringsherum mit 2 Reihen dichtgesetzten Klammern befestigt, darüber war ursprünglich eine Borte geklebt. Zwei Reihen deshalb, damit die Borte ganz plan auflag.
Wie sich herausstellte, war der alte Schaumstoff sehr marode, er bröselte so auseinander. An der Rückseite des Sessels war statt Polsterpappe einfach eine Versandkarton-Wellpappe verwendet worden…
Ich erneuerte also den Schaumstoff – die Kanten mussten abgeschrägt und abgerundet werden und fixierte ihn mit Schaumstoffkleber auf der Pappe. Dann bezog ich Rücken und Seitenteile mit dem neuen Stoff. Hier zeigte sich wieder die handwerklich hochwertige Ausarbeitung des Gestells: oben war extra für die nach innen gefaltete Stoffkante eine Aussparung gefräst worden, an den Ecken sogar noch eine zusätzliche Vertiefung eingearbeitet, damit dort der vierfach liegende Stoff keine Verdickung bildete. Überhaupt – das Gestell war durchdacht und in seinem Aufbau doch recht aufwändig, nur einwandfreies Holz war verarbeitet worden. Zunächst schleicht sich ja der Gedanke ein, warum „so ein paar zusammen getackerte Kanthölzer“ so teuer sein müssen, aber es ist eben doch nicht nur der geniale Entwurf, sondern auch die Anfertigung in allerhöchster Qualität, die letztlich den Preis mehr als rechtfertigen.
Nachdem Sessel innen komplett neu gepolstert war, verschloss ich Seiten und Rücken mit 2 Lagen Polsterpappe, wobei ich die obere Lage an den Seiten, wo der Stoff doppelt gelegt wurde, schmaler schnitt, nähte den Bezug mustergerecht aus drei Teilen zusammen und befestigte ihn unten von links mit einem schmalen Pappstreifen, an den Seiten und oben sichtbar getackert – ebenfalls zweireihig. Zwischendurch versagte der Tacker und musste erneuert werden…und die Zeit bis zum Abholtermin verrann viel zu schnell.
Zuletzt wurde die schwarz-weiß gestreifte Borte, die ich dafür ausgesucht hatte, mit Heißkleber vorsichtig aufgeklebt. 12.30 Uhr wollte der Kunde kommen, 12.25 Uhr war ich fertig…und aus dem Sessel war wieder ein Modern Art Sitzmöbel, ein Eyecatcher geworden.
Ein toller Auftrag, ich polstere sonst eigentlich nicht mehr für Kunden, aber dieser Sessel hat mich einfach verführt und er war es vor allem wert, mit Zeit, fachgerecht und aller gebotenen Vorsicht restauriert zu werden.
Tja, und dann war ich fast ein wenig traurig, dass der Sessel jetzt „in schön“ so schnell wieder weg war – ich hätte ihn gern noch ein paar Tage in meinem Showroom stehen gehabt. Aber zumindest habe ich einen wunderschönen Stuhl im Hoffmann Design, den ich kürzlich neu bezogen habe mit einem wunderschönen geometrischen Design von Josef Hoffmann: „Pandora“.